Der rote Samt

„Nimm deine Maske ab, wenn du mit mir sprichst.“ […] Daraufhin drückt er mich leicht an sich und uns beide nun in den roten Samt, der alle Flurwände in diesem Haus bekleidet. […]

„Nimm deine Maske ab, wenn du mit mir sprichst.“

Verwirrt sehe ich ihn an und bleibe stehen. Das Licht in diesem dunkelroten Flur flackert wie wild und ich sehe in seinen Augen, dass er es ernst meint. Langsam greife ich an meinen Kopf und entwirre das schwarze Spitzenband an meinem Hinterkopf. Es fällt mir langsam über meine dunklen Wellen und ich nehme schließlich die schwarze, katzenartige Maske ab, die bis eben mich vor Entblößung geschützt hat. Sein Blick wird weich und er geht einen halben Schritt auf mich zu.

„Nicht diese.“ Er nimmt eine meiner Locken in die Hand und lässt sie sanft durch seine geschlossenen Fingerspitzen gleiten. „Diese.“ raunt er schließlich und fährt mir mit seiner linken Hand über den Oberkörper. Für einen Moment verweilen zwei seiner Finger auf meiner in schwarzer Spitze eingekleideten Brust.

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Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich kann nicht fassen, dass wir dieses Gespräch gerade führen. Die Worte wirbeln durch meinen Kopf und ich weiß nicht, ob ich enttäuscht oder erleichtert bin, als er seine Hand von meiner Brust nimmt.

„Ich… ich weiß nicht, was du meinst… Gideon.“

Seine Pupillen weiten sich plötzlich, als hätte er nicht erwartet, dass ich ihn tatsächlich hier mit seinem echten Namen anspreche. Langsam und doch hörbar atmet er aus und entgegnet mir mit fast schon genervtem Ton: „Doch, das weißt du genau.“

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Noch bevor ich reagieren kann, wendet er sich von mir ab. Ich will ihn so nicht gehen lassen und mache schnell zwei Schritte auf ihn zu. „Gideon“ flüstere ich, als ich seine Hand in meine nehme. Er dreht sich wieder zu mir und blickt mich zärtlich an.

„Du musst deine Maske wieder anziehen, Kätzchen.“

Kätzchen. So hat er mich schon lange nicht mehr genannt. Sicher zum letzten Mal, als wir noch Kinder waren. Ich versuche zu ignorieren, wie sehr es mir gefällt, aber mein Bauch denkt gar nicht daran und schickt mir hundert Schmetterlinge, die rauf zu meinem Magen wollen. Unwillkürlich greife ich an meinen Bauch. Gideon nimmt nun meine Maske und setzt sie mir vorsichtig wieder auf. Ich genieße es, ihn so nah vor mir zu spüren und wie seine Hände nun zärtlich die schwarzen Spitzenbänder an meinem Hinterkopf zusammen binden. „Gideon“ flüstere ich wieder und wünsche mir nun sehnlichst, dass er mich küsst.

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Daraufhin drückt er mich leicht an sich und uns beide nun in den roten Samt, der alle Flurwände in diesem Haus bekleidet. Seine Hände, die nun von meinem Haar zu meinem Rücken hinunter gewandert sind, liegen ruhig und fest auf meinen Hüften und geben mir Halt. Als er zärtlich mit einer Hand an meinem Gesicht entlang fährt, schwanke ich innerlich. Er scheint es zu bemerken.

„Leb wohl, Kätzchen“ flüstert er liebevoll (?) gegen meine Lippen, bevor ich Gideon ein letztes Mal sehe. Wehmütig blicke ich ihm nach.

Dann ist er verschwunden.

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